Rezension zu Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens

Rezension: Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens

Posted: 11/18/2022

Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens ist spätestens seit der Verfilmung mit Daisy Edgar-Jones in aller Munde. Auch mich hat der Klappentext neugierig gemacht, doch irgendwie wusste ich, dass mich ein eher schweres Thema erwarten würde. Und so war es auch …

Inhalt:

Kya lebt mit ihren Eltern und den Geschwistern in der Marsch, dem rauen Vorland an der Küste von North Carolina. Die Familie ist arm und der Vater gewalttätig. Eines Tages packt ihre Mutter ihren Koffer und kehrt nie wieder. Daraufhin verlassen auch ihre älteren Geschwister nach und nach die Marsch, um sich an einem besseren Leben zu versuchen. Kya bleibt allein mit ihrem Vater, bis auch der spurlos verschwindet. Auf sich gestellt schlägt sich das junge Mädchen in der Welt durch, schlüpft durch die Maschen des Systems und baut sich ein Leben alleine in der Einsamkeit der Marsch auf, nur in der Gesellschaft der Vögel und Muscheln. Im Laufe der Zeit wächst die Sehnsucht nach einem normalen Leben – doch die Menschen können grausam sein. Und als ein junger Mann tot in der Marsch gefunden wird, ändert sich Kyas Leben mehr als sie es je wollte.

Cover von Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens
Cover: hanserblau

Originaltitel: Where the crawdads sing
Autor: Delia Owens
Verlag: hanserblau / Heyne
Seitenanzahl: 464
Erscheinungsjahr: 2019
Preis: eBook 11,99 € | Klappbroschur 11,99 € | Hardcover 22,00 €
Genre: Drama, Coming of Age, Krimi, Justiz

 

 

 

 

Meine Meinung:

Mein Gefühl hat mich nicht getrogen, als ich bei Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens eher melancholische Kost erwartet habe. Eine Mischung aus Coming of Age-Roman und Krimi, aber für mich trifft es eines am meisten: ein Drama.

Ein siebenjähriges Mädchen wird nach und nach von jedem einzelnen ihrer Familienmitglieder verlassen. Jedes einzelne Mal kann sie es nicht glauben, wartet auf die Rückkehr – die nie eintritt.

Kya ist ein extrem anpassungsfähiges Mädchen, das sich mit jeder Situation arrangiert und sich einfach durchkämpft. Auch, als schließlich alle ihre Geschwister gegangen sind und sie allein bei ihrem alkoholkranken Vater bleiben muss, versucht sie, das Beste daraus zu machen. Seine Liebe zu gewinnen, um nicht vollends auf sich selbst gestellt zu bleiben. Und die Autorin lässt auch ein Licht am Horizont aufblitzen – ehe sie die Hoffnungen von Kya und auch des Lesers zerschlägt.

Ein Auf und Ab der Gefühle

Wie Kya sich allein in der Marsch durchschlägt, hat mein Herz mehr als einmal schwer werden lassen. Ein junges Mädchen, das weder lesen noch schreiben kann, kein Geld hat und von allen alleingelassen wird …

Und doch ist sie nie ganz allein. Delia Owens zeichnet eine Reihe von Charakteren, die eine wichtige Rolle in Kyas Leben spielen. Ob Jumpin‘, der dem Mädchen, ohne, dass es das weiß, hilft, oder Tate, der sich in Kya verliebt, aber kaum damit umzugehen weiß. Sie zeigt, dass die Welt nie schwarz und weiß ist, dass alle Menschen Hoffnungen, Träume und Ängste haben. Auch die kleinsten Nebencharaktere haben ihre Beweggründe, ob sie gut oder schlecht sind.

Das ist eine große Stärke der Autorin. Und dass sie den Leser nie in der Schwere Ihrer Geschichte und Beschreibungen versinken lässt. Sie bringt normale Begebenheiten ein, lässt Kya und damit den Leser lachen und schmunzeln.

Ein Drahtseilakt zwischen Coming of Age und Kriminalfall

Dabei wird jedoch nie vergessen, dass es von Anfang an um einen Todesfall geht. Und ein Mädchen, das als Außenseiterin zur Verdächtigen gemacht wird. Gekonnt springt Delia Owens zwischen den Zeiten, erzählt von den Ermittlungen und dem Prozess, aber auch wie Kya zu der Person wurde, die nun vor Gericht steht – und warum sie angeklagt wird, den beliebten Quarterback Chase Andrews ermordet zu haben.

Auch der Leser bleibt bis zum Schluss im Unklaren, warum Chase Andrews sterben musste. War es, wie vermutet, Mord? Oder doch ein Unfall? Geschickt werden Hinweise eingeflochten, sodass Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens  zwischen Coming of Age über ein alleingelassenes Mädchen in der Marsch und Krimidrama balanciert.

Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens überzeugt durch eine bildgewaltige Sprache

Das Bewundernste an diesem Roman ist jedoch der Schreibstil der Autorin. Delia Owens lässt den Leser alles spüren, das Kya fühlte. Ich war mit ihr nachts allein, umgeben von der Einsamkeit und der Dunkelheit. Ich war bei ihr, als sie sich vorsichtig Tate, den Sohn eines Krabbenfischers, öffnete und langsam wieder Vertrauen in Menschen fasste.

Doch am meisten war ich bei Kya, wenn sie allein von der Natur umgeben war, auf jedes Tier und jede Regung der Marsch achtete. Die Beschreibungen der Flora und Fauna des Marschgebietes machen Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens zu so einem besonderen Buch. Der Einklang zwischen zwischen Kya und der Natur. Delia Owens bringt dies dem Leser so nahe, dass man sich quasi stets dabeiwähnte. Dass ich mich einsam und hoffnungslos fühlte, als Kya in der Zelle des Gefängnisses saß, abgeschnitten von allem, was ihr etwas bedeutete und was ihr Kraft gab. Ich erinnere mich jetzt noch, wie schwer ich bei manchen dieser Beschreibungen schlucken und die Tränen mühsam zurückhalten musste.

Passend dazu fasst die Autorin Kyas Gefühle in Gedichten zusammen, die Kya selbst liest und die ihr durch den Kopf gehen.

Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens ist kein Roman, den man nebenbei liest. Nein, diese Geschichte fesselt. Doch besonders die Beschreibungen der Natur und Kyas Verbindung mit ihr ziehen einen in den Bann. Ein Buch, das man so schnell nicht vergessen wird. Eine Geschichte, die zeigt, wie poetisch Literatur sein und trotzdem für jedermann zugänglich sein kann.

Fazit:

Bildgewaltiges gefühlvolles Debüt

Alle meine Rezensionen findest du hier

 

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