The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd ist eine Dystopie von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985. Nach der sehr gelungenen Verfilmung von Volker Schlöndorff aus den 90ern, hat sich Hulu des Stoffes angenommen und eine neue Serie geschaffen. Da ich Buch und Film sehr mag, musste ich mir natürlich auch die Serie ansehen – hier ist meine (etwas eskalierte) Meinung dazu
Inhalt:
Unsere Zukunft sieht düster aus. Die Menschheit hat sich zugrunde gerichtet, die Geburtenrate liegt nahe null. Eine fundamentalistische Sekte hat die Regierung der USA gestürzt und einen neuen Staat gegründet: Gilead. Sie besinnen sich auf die alten Werte ohne Technologie, wo Frauen keinen Wert besitzen – außer, sie sind gebährfähig. Diese Frauen werden zusammengerottet, misshandelt und den hohen Tieren des Staates als Gebärmaschinen zugewiesen, um für den Fortbestand des Landes zu sorgen. Eine davon erzählt ihre Geschichte als Magd.
Originaltitel: The Handmaid’s Tale
Studio: 20th Century Fox
Produktionsland: USA
Erscheinungsjahr: 2017
Länge pro Episode: ca. 50 Minuten
Folgen pro Staffel: 10
FSK: 16
Idee: Bruce Miller
Nach einem Roman von: Margaret Atwood
Darsteller: Elisabeth Moss, Yvonne Strahovski, Ralph Fiennes, Alexis Bledel, …
Genre: Drama, Dystopie
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Meine Meinung:
Kennt ihr Geschichten, die euch Gänsehaut machen? Doch nicht im positiven Sinne, nein. Sie machen euch Angst, verunsichern euch, lassen euch leiden. The Handmaid’s Tale ist eine davon.
Gleich zu Beginn wird man voll ins Geschehen geworfen – keine Verschnaufpause, keine Einleitung. Direkt in das Leben von Desfred, die dem hohen Kommandaten Fred Waterford (daher der Name Desfred) und seiner Frau Serena zugewiesen wurde. Schnell wird dem Zuschauer klar, dass die Gesellschaft strikt getrennt ist: Kommandanten und ihre Ehefrauen, Chauffeure und Männer für alles, die kein Recht auf Frauen haben, Hauswirtschafterinnen, Wächter – und Mägde wie Desfred. Sie haben in diesem neuen Konstrukt die schwerste Aufgabe: Monat für Monat müssen sie sich vergewaltigen lassen und auch sonst spuren. Klappe halten, sich unsichtbar machen und einkaufen gehen. Obwohl die Mägde so wichtig für das Land sind, sind sie in den Augen der anderen doch nichts weiter als Abschaum. Huren, die jedem dienen, dem sie müssen.
Auch sonst haben Frauen keinerlei Rechte mehr. Sie dürfen nicht lesen, sind nur noch für Haus und Hof zuständig – wie im Mittelalter. Während die Männer die Geschicke der Welt lenken.
Doch wie konnte es soweit kommen?
Rückblenden als strategisches Erzählinstrument
Das wollte ich allem voran wissen: Wie konnte es von einem freien Amerika zu einem solchen Rückschritt kommen? Das wird uns aus Junes (alias Desfred) Sicht erzählt: wie alle Frauen von einer Sekunde auf die andere ihre Jobs verloren. Wie ihr Vermögen eingezogen und ihren Männern überschrieben wurde. Wie Proteste dagegen mit grausamer Gewalt beendet wurden. Und wie ihr mit ihrer Familie nur noch die Flucht blieb. Dabei war auch June einmal glücklich. Sie fand ihre große Liebe Luke, der seine Frau für sie verließ, wurde schwanger und gebar ein gesundes Mädchen, eine Seltenheit in dieser Zeit. Und plötzlich war alles anders.
Dabei beschäftigt sich The Handmaids Tale nicht nur mit Junes Sicht der Dinge, sondern konzentriert sich auch auf die anderen Charaktere wie Serena Waterford, die ebenfalls mit ihrer Rolle der machtlosen Ehefrau zu kämpfen hat. Nur in ihrem eigenen Heim hat sie das Sagen, sonst ist sie wertlos, was ihr oft genug gezeigt wird. Oder der Chauffeur Nick, dessen Zukunftsaussichten dunkel sind und der sich trotzdem für die Rolle des Auges entschieden hat und das System unterstützt.
Kranke neue Welt
Gott ist in dieser Serie allgegenwärtig, dabei ist es mehr als deutlich, dass er die Welt schon längst im Stich gelassen hat. Die Bbel wird als Ausrede für alles genommen: Augen ausstechen, Vergewaltigung, „Errettungen“, Steinigungen – egal, was getan werden muss, mit irgendeinem Spruch wird’s schon gebilligt werden. Man kommt aus dem Kopfschütteln nicht heraus, wenn man sieht, wie alles inszeniert ist, wie krank diese Denkweise ist: Eine Frau wird auf dem Schoss der Ehefrau von deren Mann vergewaltigt und das macht deren Kind automatisch zu ihrem. Genauso bei der Geburt, in der die Ehefrau behätschelt wird und so tut, als würde sie selbst gebären, während einen Stock höher eine Frau wirklich in den Wehen liegt. Schein ist eben mehr als Sein wenn man nichts mehr hat …
Und es gibt keinen Ausweg, andere Länder schauen einfach nur zu, nehmen sich das womöglich noch als Vorbild. Ein grauenhaftes Zukunftsszenario.
The Handmaid’s Tale ist der Albtraum einer jeden Frau
Obwohl ich das Buch schon so lange kenne und auch den Film von Volker Schlöndorff mehr als einmal gesehen habe, nahm mich The Handmaid’s Tale auf unerwartete Weise mit. Denn Junes Vergangenheit spielt nicht in den 70ern oder 80ern – sie spielt genau jetzt. In unserer Zeit, die noch immer geprägt ist von Homophobie, Hass und Frauenfeindlichkeit. Und genau deswegen verursacht mir diese Serie Bauchschmerzen. An manchen Stellen wurde mir schlecht und Gänsehaut überzog meinen Körper. Frauen sind nichts weiter als Gebärmaschinen, jeder Widerstand wird ausgerottet, jede „Anomalie“ im Keim erstickt – und wenn man dabei einer Frau alles nehmen muss: Ihre Liebe, ihre Leidenschaft. Behandelt wie Dreck, weniger wert als Vieh.
In einer Welt, in der Frauen noch immer weniger bedeuten als Männer, in der Leute an der Macht sind, die Frauen wieder degradieren wollen: Wie unwahrscheinlich ist dieses Szenario da? Diese Frage beschäftigt mich immer noch und wenn ich ehrlich bin, macht sie mir eine Heidenangst.
Wunderbar in Szene gesetzt
Dabei ist die Serie nicht nur atmosphärisch extrem dicht erzählt, sondern bietet auch künstlerisch viel. Gekonnt eingesetzte Gegenlichtaufnahmen lassen Hoffnung aufflackern, wo keine ist. Zeigt einem Licht in der Dunkelheit. Passende Musik erinnert an das alte Leben. Und die Schauspieler nehmen einen mit auf dieses extremen Trip in die Zukunft. Elisabeth Moss schwankt als June gekonnt zwischen Verzweiflung und Kampfeslust, allein die Vorstellung, an ihrer Stelle zu sein … Yvonne Strahovski mimt die Eiskönigin Serena exzellent und doch zeigt auch sie Risse in ihrer Fassade – hervorragend! Jede Rolle ist top besetzt und führt einen immer mehr in den Wahnsinn hinein – bis man sich selbst als Teil davon fühlt.
Selten oder eigentlich noch nie habe ich eine Serie gesehen, die mich so berührt und mitgenommen hat und mir ehrlich gesagt auch Angst bereitet hat. The Handmaid’s Tale schlägt einen in jeder Folge in die Magengrube, bringt den Zuschauern zum Schaudern und zum Nachdenken. Durch die visuell tolle Umsetzung und die leidenschaftlich spielenden Schauspieler erlebt man ein Zukunftsszenario, das so hoffentlich niemals eintreten wird. Nicht einmal ein winziger Teil davon …
Fazit:
Düsteres Zukunftsvision in prächtigen Bildern
Trailer von Hulu (leider nur auf englisch):
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